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Buchtipp: „Zärtlichkeit – Eine Philosophie der sanften Macht“

ABB GuanziniZaertlichkeit 978 3 406 73122 8 1A Cover
Mittwoch, den 27. Februar 2019


Mehr als friedlich und freundlich

 

Von Uta Luise Zimmermann-Krause

 

Zärtlichkeit – wer sehnt sich nicht danach? In ihrem Buch „Zärtlichkeit – Eine Philosophie der sanften Macht“, übersetzt von Grit Fröhlich und Ruth Karzel, Neuerscheinung bei Verlag C.H.Beck,  nimmt die Autorin Isabella Guanzini die Wunder der Zärtlichkeit in den Fokus. Die junge italienische Philosophin Isabella Guanzini ist Professorin für Fundamentaltheologie an der Universität Graz und hat sich bereits in vielen Aufsätzen mit der Philosophiegeschichte der Zärtlichkeit auseinandergesetzt.

Hier geht es nicht um erotische Zärtlichkeit, sondern es findet die Zärtlichkeit im Kontext der Empathie eine vielfältige Betrachtung. Sie kann  den Weg weisen zu einem sinnerfüllten Leben und einem friedlichen Miteinander. Doch Zärtlichkeit passt wohl nicht zum Zeitgeist. Es fühlt sich an, als sei sie eine durch wirtschaftliche und technische Ressourcen überholte Form der Menschlichkeit. Die neuen Facetten der Zärtlichkeit bilden den Hintergrund für das Pontifikat von Papst Franziskus. Er betont in seiner Botschaft: Barmherzigkeit, Nähe, Zuhören, Mission, Grenzen, Öffnung, Armut sind zärtliche Aufgaben der Christenmenschen. Vor dem dramatischen Hintergrund von Lebensgeschichten vieler Menschen ohne Identität, ohne Heimatland, zunächst ohne Zukunft, ohne Staatsbürgerschaft, oft ohne Gemeinschaft, entsteht höchster Bedarf nach Zärtlichkeit. Als grundlegend für die Fundamentaltheologie erwies sich der Ausspruch des christlichen Philosophen Boethius: „Verknüpfe, wenn du kannst, den Glauben mit der Vernunft.“

Im Zeitalter der Kriege, der Macht, sind Flüchtlinge das Ergebnis, denen mit Empathie, oder besser noch Zärtlichkeit, die Leiden zu nehmen sind. Doch ganz ohne Recht auf einen sicheren Abstand zu anderen, ist ein erfülltes Leben in der Welt, die uns immer mehr abverlangt, strapaziös. Papst Franziskus hat bei seiner ersten symbolträchtigen und historisch bedeutsamen Reise nach Lampedusa – mit einem Boot als Altar und einem Steuer als Ambo – von einer „Globalisierung der Gleichgültigkeit“ gesprochen. Bei seiner Andacht für die im Meer ertrunkenen Flüchtlinge wendet er sich an „eine Gesellschaft, die die Erfahrung des Weinens, des ´Mit-Leidens´ vergessen hat“. Mit Zärtlichkeit rüttelt der Papst sie zu mehr Menschlichkeit auf. Von Spinoza wissen wir: „Traurigkeit erzeugt weitere Traurigkeit, und es entsteht eine Spirale der Abschottung, die die Vitalität schwächt, jeden Willen und jede Intelligenz auslöscht.“

Nach dem Zweiten Weltkrieg analysierte Theodor Adorno mögliche Ursachen für unsere heutige Situation sowie für die Tragödie, die Europa erschüttert hatte. Daher ist es wichtig, das Fühlen wieder zu lernen, um die Welt neu zu sehen und auf neue Weise in ihr leben zu können. Eine Herzensbildung, hervorgerufen durch Spiegelungen und Reflexionen, befähigt uns, sensibler zu werden für Wahrnehmung und Verhalten. Wir wollen nicht unsere Zukunft verlieren, denn die Wahrheit findet sich im Paradox.

Hegel definiert die Indifferenz des Spiels, die im größten Leichtsinn zugleich der erhabenste und der einzig wahre Ernst sei. Für Interessenten wird die Beschäftigung mit dem Buch „Zärtlichkeit – Eine Philosophie der sanften Macht“ zur wahren Freude. Empfehlenswert!      

        

  • Isabella Guanzini.

Zärtlichkeit – Eine Philosophie der sanften Macht,

220 Seiten, gebunden, Hardcover, Schutzumschlag,

C.H.Beck Verlag, 2019,
ISBN: 978-3-406-73122-8
Preis: € 18,00